09. September 2014

Ereignisreiche Deutsche Marathon-Meisterschaften

Die diesjährigen Titelkämpfe waren der absolute Saisonhöhepunkt für mich. Alles hatte ich diesem einen entscheidenden Tag untergeordnet.

Fotos 4-7: Sportograf

 

Mein Ziel waren mindestens die Top Fünf – bei der derzeitigen Konkurrenz in Deutschland ein sehr hochgegriffenes Ziel, aber ich wusste, dass ich’s drauf habe, wenn alles stimmt. Am Mittwoch vor dem Rennen bin ich sogar nach St. Ingbert gefahren, um den Kurs zu besichtigen. Ich wollte wissen, welche Reifen und welche Übersetzung ich montieren sollte. Bei den Pneus setzte ich deshalb vorn auf den Racing Ralph 2.1 und hinten auf den Thunder Burt 2.1, beide in der Snake-Skin-Variante mit Doc Blue Dichtmilch befüllt. Bei der Übersetzung vertraute ich auf ein 38er Kettenblatt vorn und die übliche 11/36er Abstufung der XTR-Kassette.

 

Besser hätten die Verhältnisse am Renntag nicht sein können. Temperaturen um die 20 °C und ein 41 Kilometer langer Rundkurs, der sich abgetrocknet und griffig präsentierte. Meiner Meinung nach besitzt St. Ingbert eine der schönsten Strecken. Sollte sich jeder Biker mal antun.

 

Als der Startschuss fiel, war gleich richtig Alarm. Jeder wusste, dass nach drei Kilometern der erste Singletrail kommen würde. Und jeder erkannte, wie wichtig es war, sich eine der vorderen Positionen zu ergattern, um nicht gleich den Anschluss zu verlieren. Ich stellte mich recht geschickt an und bog mit den Ersten in den schmalen Weg ein. Es bildete sich eine Spitzengruppe aus neun Fahrern. Alle Favoriten waren vertreten: vier Bulls-Fahrer, drei Athleten von Vaudé/Centurion, der Einzelkämpfer Robert Mennen (Topeak-Ergon) und ich.

 

Jederzeit musste ich mit taktischen Spielchen der in Mannschaftstärke überlegenen Teams rechnen. Darum hielt ich mich meist auf einer der ersten vier Positionen der Gruppe auf, um nicht von Attacken überrascht zu werden. Dies gelang mir blendend, ich war zwar öfters am Limit, wie meine Mitstreiter sicher auch, musste allerdings nie komplett in den „dunkelroten Bereich“. Ich fühlte mich hervorragend und spürte, dass ich an diesem Tag richtig was reißen könnte. So führte ich die Gruppe das erste Mal durchs Start/Ziel-Gelände auf die zweiten alles entscheidenden 41 Kilometer.

 

Es muss um Kilometer 50 gewesen sein, als alle meine Anstrengungen der letzten Wochen und Monate plötzlich nichts mehr wert waren. Meine Ambitionen auf ein top Ergebnis lösten sich im wahrsten Sinne des Wortes in Luft auf. In einer Abfahrt erwischte ich mit dem Hinterrad einen spitzen Stein, der meinen Reifen derart demolierte, dass ihm die Luft ausging. In der Hoffnung, dass die Dichtmilch das Loch wieder verschließen würde, schoss ich gleich zwei CO2-Patronen in den Reifen – ohne Erfolg. Fast auf der Felge fahrend, schleppte ich mich in die nächste Technikzone, wo ich das Hinterrad wechselte.

 

Extrem deprimiert und ohne Aussicht auf das angestrebte Ergebnis stieg ich an Position 12 liegend wieder aufs Rad. Ich dachte mir noch: Wenigstens ein einstelliges Ergebnis…

 

Im darauffolgenden Anstieg versuchte ich, meinen Tritt wieder zu finden und bretterte die anschließende Abfahrt runter. Gerade noch konnte ich einem regungslos auf der Strecke liegenden Biker ausweichen. Parallel zu unserer zweiten Runde ermittelten auf demselben Kurs die Hobby-Fahrer ihre Besten. Natürlich sprang ich vom Rad und rannte zu dem Verunglückten. Er war bewusstlos, atmete jedoch glücklicherweise. Den nächsten Biker, der an der Unfallstelle vorbeikam, beauftragte ich weiterzufahren, den nächsten Streckenposten zu informieren und die Sanitäter zu rufen. Ich blieb beim leicht am Kopf blutenden Gestürzten und redete einfach mit ihm, obwohl er nicht reagierte. Es dauerte nicht lang, als Christian ebenfalls anhielt und mich erkannte. Er forderte mich auf, weiterzufahren, es ginge doch schließlich um die Deutschen Meisterschaften bei mir. Er kümmere sich nun um den Verletzten. Ehrlich gesagt, hatte ich gar nicht mehr ans Rennen gedacht. Mit gemischten Gefühlen stieg ich dann doch wieder auf mein Bike. Am Ende war ich noch 16., was eigentlich Nebensache war. Mein aktueller Wissensstand über den Zustand des Verletzten ist, dass alles recht glimpflich ausgegangen ist. Eine Gehirnerschütterung und ein Nasen- und Jochbeinbruch waren die Folgen des Sturzes. Auf alle Fälle wünsche ich eine schnelle Genesung.

 

Für mich war mein Stopp ganz selbstverständlich, für den Veranstalter in St. Ingbert nicht. So durfte ich vor der offiziellen Siegerehrung auf die Bühne und wurde zusammen mit Christian (den Familiennamen weiß ich leider nicht) mit dem Fairplay-Ehrenpreis bedacht. Eine sehr nette Geste, vielen, vielen Dank.

 

Jetzt nochmal zurück zum Sportlichen. Aus dem Saarland nehme ich trotz des Defekts, der immer passieren kann, viel Positives mit. Ich kann mit den Besten mithalten und das werde ich in den kommenden Wettkämpfen zeigen können. Glückwunsch an den neuen Meister Tim Böhme, starkes Ding.

 

Torsten